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Pressemitteilung

Demokratie muss Krisen standhalten


Die diesjährige zentrale Veranstaltung zum Volkstrauertag fand bei goldenem Herbstwetter auf dem Idsteiner Friedhof statt. Gekommen waren neben Bürgerinnen und Bürgern Vertreter der städtischen Gremien, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Heimatvertriebenen, der Freiwilligen Feuerwehr Idstein und der Reservistenkameradschaft.

Das feierliche Rahmenprogramm gestalteten die Bläser der Musikschule Idstein. Stadtverordnetenvorsteher Thomas Zarda verlas das Totengedenken. Birgit Zarda und Stefan Krebs sprachen als Vertreter der Kirchen ein gemeinsames Gebet.  

In seiner diesjährigen Ansprache stellte Bürgermeister Christian Herfurth das Thema Demokratie in den Mittelpunkt. Der Volkstrauertag habe nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 und dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 eine neue Dimension erhalten. Damit sei „in den europäischen Ländern und auch für uns der Krieg zur greifbaren Realität geworden.“

Der Friede in unserem Land, eng verbunden mit unserem Demokratie- und unserem Freiheitsbegriff, sei keine Selbstverständlichkeit, stellte Herfurth fest. Er erinnerte an den 175. Jahrestag des Zusammentretens der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, deren Mitglieder in den Jahren 1848/49 mit der Reichsverfassung und den „Grundrechten des deutschen Volkes“ eine erste Basis für die Demokratie in Deutschland einschließlich der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes gelegt hätten. Der unter dem verlorenen ersten Weltkrieg und der wirtschaftlichen Not der Bevölkerung aufgekeimte Nationalsozialismus sei aber Beweis dafür, wie schnell sich ein ganzes Volk von den Werten einer parlamentarischen Demokratie abwenden könne.

Dies habe unzähligen Menschen das Leben gekostet: „6,3 Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet. Zu Opfern von nationalsozialistischen Massenverbrechen wurden auch KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Homosexuelle, Roma und Sinti sowie 250.000 Opfer der sogenannten „Euthanasie“. 50 Millionen Menschen, in anderen Schätzungen werden 70 Millionen Menschen genannt, fanden im zweiten Weltkrieg weltweit  den Tod, darunter Soldaten und Kriegsgefangene, aber auch eine nie dagewesene Zahl von zivilen Opfern.“

Es sei nahezu ein Wunder, so Herfurth weiter, dass „uns – zumindest im späteren Westdeutschland – nach Kriegsende 1945 ein demokratischer Neubeginn möglich wurde“. Unter starker Einflussnahme und Lenkung vor allem der amerikanischen Militärregierung sei  die Transformation der deutschen Gesellschaft von einer nationalsozialistisch geprägten hin zu einer demokratischen Gesellschaft gelungen.

Herfurth zitierte den Idsteiner Professor Rainer Forst, der in einem Beitrag in der FAZ schrieb, dass die westlichen Demokratien heute von vielen als „feudaler Monopolist der Macht“ wahrgenommen würden und dass es für die Zukunft der Demokratie notwendig sei „eine an Prinzipien des internationalen Rechts und fairen Wirtschaftens orientierte Politik zu verfolgen“.

Herfurth stellte zugleich fest: „Unter dem Eindruck der Weltgeschehnisse und der daraus resultierenden Folgen für unser Land, z.B. die steigende Migration, werden nicht nur Demokratieskepsis sondern auch nationalistische Denkweisen wieder lauter.“ Es sei nicht akzeptabel, dass immer offener Antisemitismus zur Schau getragen werde, „denn wir Deutschen tragen bis heute für die jüdische Gemeinschaft in unserem Land und in Israel eine besondere Verantwortung.“

Der Volkstrauertag erinnere nicht nur an die Opfer der weltweiten Kriege und Bürgerkriege, an die Opfer von Terrorismus und Extremismus, Hass und Gewalt. Der Tag sei zugleich Mahnung, unsere Demokratie wertzuschätzen und sie zu achten: „Der Volkstrauertag fordert uns auf, die notwendige Weiterentwicklung unserer Demokratie mitzugestalten, damit sie den zahlreichen Krisen und enormen Herausforderungen, denen sie ausgesetzt ist, standhalten kann.“