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Pressemitteilung

Kein Glasfasernetz: Gefahr für den Breitbandausbau im ländlichen Raum


Die GVG Glasfaser hat den Städten Taunusstein und Idstein kurzfristig mitgeteilt, dass sie den eigenwirtschaftlichen flächendeckenden Ausbau in den beiden Kommunen nicht realisieren können und das Kooperationsprojekt beendet.

Kein Einzelfall in Deutschland und damit eine Gefahr für die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, wie auch die Geschäftsführerin des Breitbandverbands Anga, Andrea Huber, am 1. Juni im Handelsblatt zitiert wird: „Sollte dem strategischen Doppelausbau des marktmächtigen Unternehmens Telekom nicht Einhalt geboten werden, sind die Gigabitziele der Bundesregierung für 2030 in Gefahr.“

Nach einem Interessenbekundungsverfahren 2022, bei dem auch die Deutsche Telekom angesprochen wurde, hatte die Stadt eine Kooperation mit der GVG Glasfaser geschlossen. Die Gründe dafür waren, dass sie die Kriterien der Stadt – unter anderem den flächendeckenden Ausbau und keine Verlegung der Kabel in Mindertiefe – erfüllt hat. Anders als die Deutsche Telekom, die ebenfalls am Verfahren teilnahm.

Sandro Zehner, Bürgermeister von Taunusstein und gewählter Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, und Christian Herfurth, Bürgermeister von Idstein, sehen in dieser Entwicklung eine Benachteiligung für den ländlichen Raum und die Gefahr einer digitalen Zwei-Klassen-Gesellschaft in Hessen und Deutschland – entgegen der Strategie des Hessischen Digitalministeriums und des Bundesministeriums für Digitales:

„Wir stehen nach vielen Jahren der aktiven Arbeit für ein flächendeckendes Breitbandnetz in Taunusstein und Idstein jetzt kurz vor dem Ziel vor einem Scherbenhaufen: Denn ohne die wirtschaftlich attraktiven und – für eine rentable Mischkalkulation benötigten – dichtbesiedelten Stadtteile, ist die Aussicht, die kleineren Stadtteile und Idstein anzuschließen, weiter entfernt als je zuvor.

Das bedeutet für rund zehntausende Menschen in den beiden größten Städten des Rheingau-Taunus-Kreises sowie für zahlreiche Unternehmen, dass sie auf viele Jahre keinen Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz erhalten. Ein massiver Standortnachteil.

Unser Ziel war es, einen flächendeckenden Ausbau in Taunusstein und Idstein für die Bürgerinnen und Bürger und für unsere Gewerbetreibenden zu erreichen, um in all unseren Stadtteilen gleiche Bedingungen der digitalen Infrastruktur zu haben. Das ist unser Verständnis unserer Aufgabe als moderner Daseinsversorger. Die Deutsche Telekom hat auf unsere mehrfachen Gesprächsangebote entweder gar nicht oder verzögert reagiert und uns ihre kurzfristigen Ausbaupläne erst auf Nachfrage erläutert. Das hat zu einer massiven Verunsicherung in der Bevölkerung und zu vielen Nachfragen bei uns geführt. Auch unsere Initiativen zu einem kooperativen Ausbau zwischen GVG und der Deutschen Telekom sind gescheitert.

Wenn sich die Deutsche Telekom in dezentralen Städten und Gemeinden lediglich auf die dichtbesiedelten Gebiete konzentriert, bedeutet das: Es werden zigtausende Menschen auf Jahre abgehängt. Die Schere zwischen Stadt und Land wird größer, der Siedlungsdruck in die Ballungsgebiete steigt. Falls das die Strategie der Deutschen Telekom ist – immerhin mit 13,8 Prozent in der Anteilseignerschaft des Bundes – hebelt sie die Bemühungen von Bund und Land zur Stärkung des ländlichen Raums und zum Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes aus. Das ist nicht im gesellschaftlichen Interesse und kann auch kein politisches sein.

Was passiert mit den nicht ausgebauten Stadtteilen und Gemeinden? Kurz gesagt: nichts. Weil sie für andere Telekommunikationsdienstleister schlicht nicht rentabel anzuschließen sind. Es steht zu befürchten, dass die Deutsche Telekom sich in den darauffolgenden Jahren mittels Fördergelder – also Steuergeld – zusätzlich einzelne Gebiete erschließt. Bei der Förderung durch das Land müssten wir als Kommune, also unsere Bürgerinnen und Bürger, 10 Prozent zusteuern.
Statt eines eigenwirtschaftlichen Ausbaus durch Marktteilnehmer, fördert der Steuerzahler damit zwangsweise die aggressive Markstrategie der Deutschen Telekom – die zu 13,8 Prozent in staatlicher Hand ist.

Der Staat hat mit der Bildung der Gigabitregion FrankfurtRheinMain GmbH einen Partner für uns Kommunen geschaffen, um den Ausbau mit den Telekommunikationsunternehmen zu koordinieren. Zwar ist die Deutsche Telekom Teil dieses Netzwerk und damit an die Rahmenregeln gebunden, nicht aber ihr Joint Venture mit einem australischen Unternehmen GlasfaserPlus. Dennoch wirbt die Deutsche Telekom im bekannten Magenta um die Kunden. Eine Taktik im Sinne der Gewinnmaximierung eines Wirtschaftsunternehmens – zum Nachteil der Menschen in den ländlichen Regionen.

Wir haben als Kommunen keine Handlungsmöglichkeiten gegenüber den Telekommunikationsunternehmen. Wir sind zu Neutralität verpflichtet und müssen die Genehmigung für die Verlegung in unsere Netze freigeben.

Aber unsere Leitplanken sind nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger – und zwar aller gleichermaßen. Um diese zu wahren, brauchen wir die Unterstützung des Bundesdigitalministeriums, dem wir dazu heute einen Brief geschrieben haben und um genau diese Hilfe bitten – für einen schnellen, flächendeckenden Glasfaserausbau für alle Menschen in den beiden größten Städten des Rheingau-Taunus-Kreises sowie insgesamt im ländlichen Raum.“

Zum Hintergrund:

Eigentlich war die von der GVG Glasfaser geforderte 40-Prozent-Quote in den beiden größten Taunussteiner Stadtteilen Hahn und Bleidenstadt sowie in Watzhahn und Seitzenhahn bereits Ende Februar erreicht und der Ausbau damit zugesagt. In Neuhof, Wehen und Wingsbach läuft aktuell noch die sogenannte Vorvermarktung. Parallel hatte die Deutsche Telekom kurzfristig im Februar mit Marketing begonnen und auf Nachfrage erklärt, in Hahn und Bleidenstadt zeitnah ohne Vorvermarktung auszubauen. Die Versuche von Seiten der Stadt Taunusstein ein kooperatives Vorgehen zwischen GVG Glasfaser und der GlasfaserPlus im Sinne einer abgestimmten Verlegung zu erreichen, haben nicht verfangen. Die GVG hat zugesagt, alle zu informieren, die bereits einen Vorvertrag geschlossen hatten.

Die Stadt Taunusstein hat aufgrund der Gesetzeslage keine Möglichkeiten aktiv einzugreifen, eine Aufbruchgenehmigung würde nach drei Monaten automatisch als erteilt gelten. Laut GVG ist der flächendeckende Ausbau in der Cluster-Region Taunusstein und Idstein ohne die beiden am dichtesten besiedelten Stadtteile wirtschaftlich nicht darstellbar und hat entsprechend zurückgezogen.