Pressemitteilung
Eine Stolperschwelle für die Opfer des Kalmenhofs
Pünktlich um 9 Uhr morgens hatten sich zahlreiche Menschen vor dem Eingang zu Vitos Teilhabe, dem ehemaligen Kalmenhof, versammelt. Grund war die Verlegung einer Stolperschwelle. Diese wird künftig an die Opfer erinnern, die im Kalmenhof misshandelt, zwangssterilisiert, deportiert oder in der Einrichtung selbst ermordet wurden – durch Vernachlässigung, Mangelernährung oder auch ganz aktiv durch das Verabreichen tödlicher Spritzen. Verlegt wurde die Stolperschwelle, die Teil eines großen Gesamtprojekts des Künstlers Gunter Demnig ist, stellvertretend von Michael Rohrmann.
Bürgermeister Christian Herfurth begrüßte die Gäste, darunter auch einige Angehörige von Opfern, Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler, Vertreter der Gremien sowie von Vitos Teilhabe und auch Mitglieder des Vereins Gedenkort Kalmenhof.
Herfurth berichtete über die Herausforderung, einen passenden Text für die Schwelle zu entwickeln: „Wie fasst man so viel erduldetes Leid, die große Not dieser Menschen, ihre erschütternden Schicksale mit wenigen Worten so zusammen, dass sie auf dieser Schwelle Platz finden? Bei der Suche nach dem passenden Text erschien es uns fast unmöglich, hier die passenden Formulierungen zu finden. Denn eigentlich kann man das, was hier zwischen 1933 und 1945 passiert ist, nicht in Worte fassen.“ Mit der Stolperschwelle werde erstmals ein Gedenken für die Krankenmorde in Idstein in den öffentlichen Raum getragen, das sei notwendig und überfällig. Bürgermeister Herfurth sieht die Stolperschwelle als einen Mosaikstein in einer neuen Gedenkkultur in Idstein.
Für Vitos Teilhabe sprach Tom Wäsche, Regionalleitung Vitos Teilhabe gGmbH Behindertenhilfe. Vitos begrüße die Verlegung der Schwelle, die nun auf dem Bürgersteig vor dem Haupteingang im Eingangsbereich der Einrichtung liege und auf das Schicksal der ihr einst anvertrauten Menschen hinweise. Dass der Umgang mit Erinnerung zwar einerseits sehr persönlich sei, andererseits aber auch zu einer politischen Angelegenheit werden könne, machte Martina Hartmann-Menz vom Verein Gedenkort Kalmenhof deutlich. Der Verein hat mit seinem Engagement und seiner Bereitschaft, das Vorhaben zu finanzieren, erheblich zur Umsetzung der Stolperschwelle beigetragen.
Wie bei Stolpersteinverlegungen für jüdische Bewohner Idsteins hat die Stadt Idstein auch diesmal wieder Schülerinnen und Schüler in das Projekt involviert. Die Lehrerin Jutta Emich von der Pestalozzischule hat daher mit einer 10. Klasse die Geschichte des Kalmenhofs im Unterricht aufgearbeitet – mit Unterstützung des Stadtarchivs Idstein. Die Schülerinnen und Schüler verlasen Biografien verschiedener Opfer, darunter Ruth Pappenheimer, Karl Heinz Zey und Heinrich Sund.
Musikalisch mit klassischer Gitarrenmusik umrahmt wurde die Veranstaltung von Linus Schmidt, Musikschule Idstein. Mit einer Rosenniederlegung an der frisch verlegten Schwelle endete die Veranstaltung.