Hochwasser 1956
Hochwasser 1956
Rückschlag im Wirtschaftswunder
Kaum hatten sich Idsteiner und Heimatvertriebene nach dem Ende des zweiten Weltkrieges von den Kriegsfolgen erholt, als 1956 ein so nie zuvor dagewesenes Hochwasser die Idsteiner Innenstadt überflutete. Tief hat sich diese Katastrophe in das kollektive Gedächtnis der Stadt eingegraben.
Nach einem eiskalten Winter war der Sommer des Jahres 1956 verregnet und schwülwarm. Am Nachmittag des 10. Juli setzte ein leichter Gewitterregen ein. Schwarze und graugelbe Wolken zogen auf. Gegen 18 Uhr entluden sich dann zwei Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen, der über eine Stunde andauerte. Die Wassermassen suchten sich einen Weg von den Hängen in die Täler des Wörsbaches und des Wolfsbaches, eine breite Flut schoss auf die Stadt zu. Über das Kalmenhofgelände schließlich brach das Wasser in die Löhergasse und Rodergasse ein. Vom Wolfsbachtal strömte Wasser über Weiherwiese, Markplatz, Borngasse, Himmelsgasse und traf dort auf die Fluten der Rodergasse.
Während mancher ums Überleben oder das wertvolle Milchvieh kämpfte, dauerte es über eine Stunde, bis der Großeinsatz von insgesamt 185 Feuerwehrmännern organisiert werden konnte. Das wahre Ausmaß der Katastrophe wurde am nächsten Morgen sichtbar: aufgerissene Straßen, verschlammte Geschäfte, durchnässte Waren, umgestürzte Möbel, angeschwemmter Unrat, totes Milch- und Kleinvieh. Glück im Unglück: Menschenleben waren nicht zu beklagen. Die in der Innenstadt liegenden Geschäfte, Gaststätten und Firmen kämpften mit den Folgen der Wassermassen. Der historische Löwenkeller stand bis zur Decke unter Wasser. Eine Apotheke am König-Adolf-Platz beklagte den Totalverlust sämtlicher Medikamente. Auch der Keller der Unionskirche wurde überflutet. Das Grabgewölbe im Mittelschiff brach ein, vier Quadratmeter Fußboden versanken einen Meter tief. Zum Aufräumen und Reinigen von Häusern und Inventar wurden Unmengen an Frischwasser benötigt.
Viele Familien waren in den folgenden Wochen auf Spenden und Beihilfen angewiesen. Butter, Käse, Mehl, Grieß und Milchpulver wurden verteilt. Für geschädigte Firmen stellte die Industrie- und Handelskammer 100.000 Mark zur Verfügung, es gab Sonderkredite für die betroffenen 27 Handwerksbetriebe. Der Hof Gassenbach meldete einen Schaden von 40.000 Mark an, gar 50.000 Mark Schaden verzeichnete ein Landwirt in der Schulgasse. Für die Lederfabrik Landauer und Donner, die einst auf dem heutigen Löherplatz stand, bedeutete die Katastrophe das endgültige Ende. Insgesamt wurden die in der Stadt entstandenen Schäden auf die damals unglaubliche Summe von 2,3 Millionen Mark beziffert.
Heute schützen verschiedene Regenrückhalteeinrichtungen die Stadt vor einer neuen Katastrophe solchen Ausmaßes.