Kalmenhof
Der Kalmenhof
Die bis heute existierende Idsteiner Einrichtung für Behinderte, der „Kalmenhof“, wurde 1888 von Frankfurter Bürgern mit dem Kauf des Stockheimer Hofes gegründet. In der guten Taunusluft sollten behinderte Kinder dauerhaft ein neues adäquates Zuhause finden und bestmöglich gefördert werden.
Mit Wohltätigkeitsbällen und anderen Veranstaltungen sammelten die Gründer in gutbürgerlichen Frankfurter Kreisen Spenden für die Einrichtung. Sie ermöglichten mit enormen Summen den kontinuierlichen Ausbau der Einrichtung.
Die „Idiotenanstalt zu Idstein“ dehnte sich bis auf die heutige Fläche am Veitenmühlweg aus und verdrängte auch die dort zuvor ansässige Lederfabrik. Neben Wohnhäusern für Knaben und Mädchen sowie ein sogenanntes „Pensionat“ für Selbstzahler, ein Lehrlingsheim und ein Altenheim verfügte der Kalmenhof über Küche, Wäscherei und verschiedene Werkstätten, die einerseits Versorgung, andererseits Beschäftigung für die behinderten Menschen bot. Die Bewirtschaftung des ehemaligen herrschaftlichen Hofguts Gassenbach wurde übernommen und eine Gärtnerei eingerichtet. Das Angebot richtete sich gleichermaßen an jüdische Behinderte, für die sogar koscher gekocht wurde.
1933 wurde der Kalmenhof gleichgeschaltet. Unter den Nationalsozialisten galten Behinderte als „unwertig“, sie begannen mit deren systematischer Ermordung. Zeitweise war der Kalmenhof eine T4-Einrichtung, eine Sammelstation für die Gaskammern in Hadamar. Nachdem die sogenannte T4 Aktion gestoppt wurde, gingen die Ermordungen vor Ort weiter. Hunderte der Bewohner wurden von Ärzten und Pflegepersonal mit Gift umgebracht. Die Toten wurden auf dem städtischen Friedhof beerdigt, später auf dem jüdischen Friedhof, dann auf dem anstaltseigenen Gelände.
Die Aufarbeitung all dieser Geschehnisse ist bis heute nicht vollständig abgeschlossen. Zwar wurden einige der Ärzte und Pfleger unmittelbar nach dem Krieg vor Gericht gestellt, die Strafen fielen aber oftmals mild aus. Die Angeklagten versteckten sich hinter Schutzbehauptungen. Auch Idsteiner machten sich mit einer Petition zu Fürsprechern der Angeklagten. Ergebnis einer ersten Aufarbeitungsphase in den 1980er Jahren ist die Gedenkstätte, die auf einem Gräberfeld hinter dem ehemaligen Anstaltskrankenhaus am Veitenmühlberg angelegt wurde und an die Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 erinnert. Jüngste Recherchen zweier Historiker 2018 brachten neue Erkenntnisse zu Tage, die aber noch nicht abschließend ausgewertet sind.
Nach dem Krieg wurde der Landeswohlfahrtsverband Hessen gegründet, der die Einrichtung übernahm und bis heute unter dem Namen „Vitos Teilhabe“ als Teil des gemeinnützigen Vitos-Konzerns weiterführt.